Presse

(Katharina Hamacher/ Kölnische Rundschau)



"Esther" setzt den Reigen starker Bibel-Frauen fort

Gelungene Premiere bei den Rainbacher Evangelienspielen.

"Esther" setzt den Reigen starker Bibel-Frauen fort

Paul Weismann als Jude „Mordechai“ und Signe Zurmühlen als „Esther“  Bild: rainerbacherevangelienspiele.at

Den Kern alter Bibeltexte aufzugreifen – nämlich das zeitlos Menschliche–, ist die große Kunst Friedrich Ch. Zauners. Wie aktuell die Themen bis heute sind, wie weit etwa die Wurzeln des Antisemitismus zurückreichen, macht heuer sein Stück "Esther" beklemmend spürbar.

Die schöne Jüdin wird zur Königin Persiens und rettet ihr dort verhasstes Volk durch ihren Mut im Vertrauen auf Gott. Signe Zurmühlen verleiht Esther durch ihr intensives, aber pathosfreies Spiel Stärke im Überwinden ihrer Zweifel und Ängste.

Allzu menschlich sind die Gefühle, die auf der Bühne vom passionierten Ensemble in der Regie Zauners zum Leben erweckt werden: Hass, Neid, Rachsucht, wie sie etwa Guido Grollmann als unerbittlicher Haman zu Tage legt. Hat doch ausgerechnet ein Jude den König vor einer Intrige bewahrt und dessen Gunst gewonnen. Paul Weismann ist der in sich ruhende Mordechai. Valentin Bartzsch kann als stolzer König den Ungehorsam seiner Frau nicht billigen. Ungeschönt wird die unfreie, auf Besitz reduzierte Rolle der Frau in der (noch) gänzlich patriarchalen Gesellschaft greifbar, was Stärke und Mut der biblischen Heldinnen ("Tamar" war es 2014) noch einmal hervorhebt.

Zauner verklärt nichts, schreckt auch vor einer Folterszene nicht zurück. Stark getragen wird seine Inszenierung wie immer von der Bühnenmusik. Die Linzer Robert Pockfuß und Bernhard Höchtel haben einmal mehr eine eindringliche, aber nie aufdringliche klare Klangsprache gefunden, die von 17 starken Chorstimmen und sieben Musikern in der Leitung von Erasmus Baumgartner spannungsgeladen das Geschehen unterstreicht und vorantreibt.

Auf das Wesentliche reduziert

Ein authentischeres Bühnenbild als jenes in der eigens für die Evangelienspiele errichteten Scheune findet sich wohl kaum: Eine Schiebetür gibt den Blick nach Draußen frei. Die raffinierte Bühnenkonstruktion – von Paul Thalmann und Josef M. Hörtfarter mit sparsamen, aber vollkommen ausreichenden Details versehen – erlaubt ein Spiel auf mehreren Ebenen. Den "Rainbacher-Evangelien-Stil" prägen auch die zeitlos schlichten Kostüme von Roswitha Nickl und Roswitha Zauner. Auf das Nötigste reduzierte, ist die Ausstattung bezeichnend, um das Wesentliche in den Mittelpunkt zu rücken: die spielfreudigen Mitwirkenden – sieben Kinder haben ihren Auftritt wieder großartig gemeistert – und das Stück mit seiner Botschaft. Langer Beifall für alle Mitwirkenden, auf wie – unermüdlich – auch hinter der Bühne.

"Esther": Stück und Regie: Friedrich Ch. Zauner, Premiere in Rainbach/Innkreis am 11. 6.

OÖN Bewertung:

 

Termine: 19., 20., 21. Juni, 15 und 19.30 Uhr, Karten: 07716 80 28www.rainbacher-evangelienspiele.at

(Nachrichten.at)

(Thomas Dahl, Kölner Wochenspiegel)




Dreizehn, vierzehn, erwachsen, tot...


Die Tragödie "Nichts-was im Leben wichtig ist" im Horizont Theater


Innenstadt (ha). "Dreizehn. Vierzehn. Erwachsen. Tot." So lakonisch wie überzeugt blickt der Achtklässler Pierre-Anthon in Janne Tellers Roman "Nichts-was im Leben wichtig ist" eines Tages unvermittelt auf das Leben. (...) Die aktuelle Adaption der Geschichte am Kölner Horizont Theater verdichtet das Drama in rund 60 Minuten zu einer Tragödie in der die Antagonisten sich auf verzweifelte Lebens-Sinnsuche begeben und während eines wahnhaften Ringens um Bedeutung selbst zu Opfern der scheinbar alles tilgenden Absurdität werden. Um dem Nihilisten die Existenz von Werten zu beweisen, opfern die Schüler Lieblingslektüren, Haustiere und sogar die sexuelle Unschuld. Dabei agiert das Ensemble um Henning Jung, Signe Zurmühlen, Susanne Krebs sowie Constantin Leonhard Schädle mit einem phasenweise schon schmerzhaften Einfühlungsvermögen das Hoffnungslosigkeit sowie Euphorie gleichermaßen von der Bühne Richtung Publikum katapultiert und die Zuschauer mit essentiellen Fragen de Lebens konfrontiert. Vor allem Signe Zurmühlen brennt sich in ihrer Rolle der Sofie für Tage als zitterndes Fanal des Wahns in das Bewusstsein der Theaterbesucher. Unter der Regie von Anja Schöne meistert die Produktion den heiklen Spagat zwischen Kinder- Jugendtheater und Erwachseneninszenierung. 

(KWS, Innenstadt, 03.12.14, Thomas Dahl)




Beitrag "Orientierung" über die Rainbacher Evangelienspiele 2015


Rebellin reißt Premierenpublikum mit

Gänsehaut im Evangelien-Stadl: Schauspielensemble überzeugt auf ganzer Linie

RAINBACH (kpr). Wenn Tamar sich vom leblosen Körper ihres toten Mannes befreit oder die Künstlerin über die Schöpfung philosophiert, hängt das Publikum gebannt an jedem Wort und jeder Bewegung. Die 11. Evangelienspiele feierten am Fronleichnams-Donnerstag in Rainbach Premiere. Zahlreiche Zuschauer ließen sich das diesjährige Bibel-Theaterstück von Friedrich Ch. Zauner nicht entgehen. Der Rainbacher Regisseur landete auch heuer einen Volltreffer: Mit Tamar brachte er wohl eine der unbekanntesten Frauenfiguren aus der Bibel auf die Bühne der Evangelien-Spiele – aber dafür eine der selbstbewusstesten. Die professionelle Schauspielerin Signe Zurmühlen verkörpert die Rebellin mit viel Ausdruckskraft und verleiht ihr eine notwendige Brise Arroganz. 
Vor allem sprachlich überzeugen konnten in ihren Rollen Jennifer Münch als Künstlerin, Franz Glas als Jeftach und Christoph Fortmann als Levi. Auch ein junger Laien-Darsteller begeisterte in seiner Rolle: Als wäre es für ihn das Natürlichste der Welt, spielte der Rainbacher Schüler Daniel Holzapfel Schela, den jüngsten Sohn des Juda. 

Perfekt begleitet von Gesang und Musik ergeben die Evangelienspiele auch heuer wieder ein stimmiges Ganzes. Minutenlanger Applaus am Ende der Vorstellung spricht für sich – das Theaterstück ist absolut sehenswert. 

Biblische Rebellin in den Evangelienspielen

Heldin Tamar kämpft gegen ihr Schicksal – die Evangelienspiele überzeugen wieder mit viel Ausdruckskraft.

RAINBACH (kpr). Für die diesjährigen Evangelienspiele hat Regisseur Friedrich Zauner wohl eine der unbekanntesten Episoden der Bibel aufgegriffen: die Geschichte von Tamar. Die junge Rebellin behauptet sich in der frühbiblischen Männerwelt mit Hartnäckigkeit und Intelligenz, obwohl sie lange Zeit vom Pech verfolgt wird: "Nachdem ihr erster Mann stirbt, wird sie mit dessen Bruder vermählt, um Nachkommen zu sichern. Onar aber verweigert sich ihr und stirb ebenfalls früh", erzählt Zauner. Anstatt sie nun seinem dritten Sohn zu verheiraten, schickt Juda sie zurück zu ihrem Vater. Mit diesem Schicksal – kinderlos zu bleiben – will sich Tamar nicht abfinden. Mit einer höchst riskanten List versucht sie ihr Leben noch einmal in die richtige Richtung zu lenken. 

"Geschichten sind heutig"
Friedrich Zauner schafft es mit seinen Bibelinterpretationen nun schon seit zehn Jahren, die Besucher in den Bann zu ziehen. Der eingefleischte Theaterregisseur aus Rainbach hat das richtige Händchen für Themen aus der Bibel: "Ich suche jene Geschichten, die heutig sind und verändere nichts", erklärt er. Einzig die etwas sperrige Sprache übersetzt er in ein aktuelles Deutsch. 
Sein großer Wunsch ist, die Evangelienspiele über die Grenzen hinaus bekannt zu machen – "Ein Festival zu kreieren, das international Bedeutung erlangt". Um das zu erreichen, setzt Zauner auf sein Theaterstück als Gesamtkunstwerk: "Wort, Schauspiel, Musik, bildende Kunst und Tanz harmonieren", ist er sich sicher.
(BezirksRundschau / Österreich)

Kundige Elfen hüten das Archiv der Wünsche
25.03.2014 | WAZ


Ein Missverständnis sollte von Anfang an vermieden werden. Eine Wunschelfe erfüllt keine Wünsche, sie sortiert und archiviert sie. Zumindest in der Theaterproduktion „Zum Wünschen links“. Die Regisseurin und Autorin Anja Schöne hat dieses „Wunscharchiv“ für die Duisburger Akzente erfunden und im „Haus Trinks“ am Innenhafen eröffnet.


Hier regiert Wunschelfe Odilie (Elisabeth Emmanouil), unterstützt von Celestine (Ingmar Skrinjar). Zwei Jung-Elfen gehen ihnen zur Hand: der permanent schlecht gelaunte Fenno (Constantin Schädle) und die munter plappernde Lolita (Signe Zurmühlen). Alle bringen aus ihrem Vorleben Wissen über die verschiedensten Wünsche mit. Odilie arbeitete als Krankenschwester und ist Fachfrau für erste und letzte Wünsche, Celestine hieß früher Gunnar und kennt sich besonders bei Wünschen zu Körper und Gesundheit aus. Fenno war früher Zocker und hat deshalb ein besonderes Verhältnis zu Glücksspiel und Zahlen, während Lolita aus dem horizontalen Gewerbe kommt und daher Spezialistin für Liebe und Sex ist.

Natürlich können auch Wunschelfen mit so unterschiedlichen Biografien nicht konfliktfrei miteinander leben. In einer längeren Eröffnungsszene lässt Anja Schöne diese auch pointenreich ausleben, aber dennoch gibt es das gemeinsame Credo: Beim Wünschen kommt es nicht auf die Erfüllung, sondern auf das Wünschen selbst an. Was wäre die Welt schließlich ohne Wünsche.

Spielszenen entwickeln sich dann in den „Zimmern“ der Elfen, die man in kleinen Gruppen erlebt. Lolita windet sich lasziv und verspricht dem Besucher, diejenige zu sein, die er sich wünscht. Sie entwickelt dabei eine fast beklemmende Nähe, die aber immer wieder abgebrochen wird. Ein paar Schritte weiter plaudert Odilie patent vom letzten Wunsch nach einem „lecker Pilsken“. Als „neutrale Zone“ zwischen den vier Wunsch-Séparées fungiert der Raum des stummen Maestros (Thorsten Töpp), der das Geschehen auf der Gitarre begleitet.

Die niederländische Künstlerin Karin Gerfen trägt mit ihren Installationen aus Licht, Fäden und peniblen Papierarbeiten, die den verschiedenen Räumen eine unterschiedliche, oft träumerische Atmosphäre geben, wesentlich zum Erfolg bei.

„Zum Wünschen links“ ist ebenso intimes wie intensives Theater, komisch, melancholisch und manchmal ganz schön hintersinnig.

 

Kindertheater Premiere im Horizont

 

von Christian Bos

 

Gabi und Trudi Tiller sind Detektivschwestern, sogar mit eigenem Erkennungslied, voller Energie und Abenteuerlust. Ihnen vertraut sich deshalb der Angsthase prompt an, als er vor einem rauchenden, brummenden Monster mit leuchtenden Augen fliehen muss. Das Monster ist schnell als das „Kaputt-fahr-auto“ identifiziert.

 

Doch die wahren Übeltäter sind wohl eher diese ominösen Leute im Arbeitskittel, die sich da mit Maßbändern an den Bäumen zu schaffen machen. Kinder ab vier Jahren können sich bei „Die Tillerschwestern und das Kaputt-fahr-auto“ im Horizont Theater bestens amüsieren.

 

Der Plot, den Judith Ackermann und Signe Zurmühlen da ausgedacht haben, ist zwar nur Samstagsvormittagsprogramm-Standart. Im Ernst: Wie viele mitten in irgendeinen Wald gesetzte Einkaufszentren hätten schon um ein Haar arme Tiere vertrieben?

 

Aber die eingängigen Songs und das springlebendige Spiel von Ackermann, Zurmühlen und Holger Giebel – als Angsthase, Schweigefuchs und Kaputt-fahr-auto – unterhalten auch die erwachsenen Begleiter, zudem Regisseur Sebastian Martin die simple Geschichte trick- und temporeich umgesetzt hat. Unbedingt sehenswert.

 

Kölner Stadt-Anzeiger vom 11.02.2014

 

 

 

SHOPPINGMALL-MAFIA

Signe Zurmühlen und Judith Ackermann, Foto: © orloffphoto

Im Horizont Theater trifft ein hoch motiviertes Mädchen-Detektivteam auf einen Angsthasen, einen buddhistischen Fuchs, ein gar nicht so gefährliches Auto und eine skrupellose Firma. "Die Tillerschwestern und das Kaputt-fahrauto" ist ein spritziges, stark gespieltes Stück für Kinder ab 4 Jahren, von Signe Zurmühlen und Judith Ackermann (Regie: Sebastian Martin).

Eine Detektivbande zu gründen gehört zum Kindsein wie aufgeschlagene Knie oder gemischte Süßtüten. Geheime Treffpunkte, selbstgemalte Ausweise und Fesseln für überführte Schurken, alles da - nur leider meist kein so richtiger Fall, so einer wie bei den Fünf Freunden oder den Drei Fragezeichen. Auch Trudi und Gabi Tiller, Detektivschwestern vom Stadtrand, suchen ihre Aufgabe zunächst vergeblich. Dabei sind sie aufs Beste ausgestattet: Nerdbrille und Laborkittel bei der analytischen, etwas ängstlichen Gabi ("Ich bin der Kopf der Gruppe"), Riesenrucksack und Pfadfinderoutfit bei der bodenständigen Trudi ("die Tüftlerin"). Die Kinder im Publikum wissen da schon längst: Es ist was faul im Wald.

In der ersten Szene hat ein zitternder Hase (ausdrucksstark: Holger Giebel) eine unheimliche Begegnung mit einem blinkenden und stinkenden Monster, das als Filmchen auf einem weißen Vorhang auftaucht und ihn trotz Schutzrüstung (die originellen Kostüme stammen von Silvia Wasserburger) zum Angst-Hasen gemacht hat. Die Tillers ziehen alle Register der Detektivkunst (sehr hübsch wird auf den Vorhang ein "Phantombild" aus Haushaltsgummis und allerlei Krimskrams projiziert), erraten ein Auto und versuchen nun mit allerhand Tricks, dieses einzufangen. Da wird die Beute mit Benzin angelockt (klappt), mit Stoppschildern experimentiert (klappt nicht), mit einer Riesen-Reißzwecke eine Falle gebaut (klappt).

KAMPF FÜR DIE NATUR

Dabei agieren Signe Zurmühlen und Judith Ackermann, die das Stück auch entwickelt haben, als Trudi und Gabi mimisch und gestisch in der richtigen Dosis, die auch kleinere Kinder mitnimmt. Gleichzeitig sind sie so herrlich überkandidelt mit einer Prise Selbstironie, dass es viele erwachsene Lacher im Publikum gibt. Holger Giebel ist als Kaputt-fahr-auto im Transformers-Pappoutfit genau das richtige Quäntchen unheimlich, als personifiziertes Grundschulhandzeichen "Schweigefuchs" sucht er seine buddhistische Mitte. Spannend entwickelt sich die Geschichte, denn die wahre Gefahr für Waldstück und Bewohner ist die Firma "Habela", deren riesiges Einkaufzentrum alle Natur plattzumachen droht. Durch grüne Regencapes und Bauarbeiterhelme unkenntlich gemacht, treten Ackermann und Zurmühlen in Zwischenszenen als Bauingenieure auf, die mit ihrer "Habela-habela"-Fantasiesprache auf urkomische Weise deutlich machen, wessen Interessen sie hier vertreten.

Dass nun ausgerechnet das vereinte Motorengebrumm von Publikum und dem Kaputt-fahr-auto die gewissenlosen Habela-Leute in die Flucht zu schlagen vermag und das Waldstück rettet, bleibt eine verzeihliche Unstimmigkeit. Vielleicht hätten alle gemeinsam den sehr eingängigen Tillerschwestern-Erkennungssong schmettern sollen, der ist zu diesem Zeitpunkt ohnehin ein echter Ohrwurm.

CHRISTINA GATH

 

 

Die Tillerschwestern trällern, dass es nur so kracht.....

 

Regisseur Sebastian Martin und ein grosses Kreativteam realisieren mit Die Tillerschwestern und das Kaputtfahrauto
das Erstlingswerk von 
Dr. Judith Ackermann und Signe Zurmühlen 
im Kölner Horizont-Theater

 

 

Wer politisch korrektes sozialkritisches Kindertheater à la GRIPS oder eine in sich poetisch-märchenhafte Sinnenreise erwartet, dem sei vom Besuch der nächsten Vorstellung dringend abgeraten, wer zum Lachen in den Keller geht, der ist hier fehl am Platz. Wer sich aber auf eine höchstvergnügliche ca. einstündige Trashversion einer recht aberwitzigen Geschichte um den Angsthasen, die leicht durchgeknallten Tillerschwestern, ein wirklich gefährliches Monster, ein Pappklohäuschen, zwei dubiose Bauunternehmer, das verloren gegangene Bremspedal, ein geplantes Einkaufszentrum und und und einlassen möchte, dem sei der Besuch einer der weiteren Vorstellungen ganz dringend empfohlen.

Was zunächst auffällt, das ist die Tatsache, dass die zwei erwachsenen, wenn auch jungen Schauspielerinnen Judith Ackermann und Signe Zurmühlen, einem in langer Freundschaft entstandenen Trash-Nonsens-Spiel nicht nur Leben verleihen, sondern das Kunststück fertig bringen, richtig kindgerechten Unsinn zu produzieren, den sie mit sehr vergnügten Kindern und sehr vergnügten Erwachsenen teilen. Während der Premiere glucksten und lachten und quietschten nicht nicht nur die kleinen Zuschauer vor Vergnügen, der lokale Großkritiker sprach von einem unbedingt empfehlenswerten Theaterbesuch. Auch die Bloggerkollegin Tanja Adamus von darktiger.org, Wissenschaftskollegin von Judith Ackermann, die an der Uni Siegen lehrt und wirkt, fand: insgesamt: sehr empfehlenswert.

Dabei wird getrasht, dass es nur so kracht, denn nichts, bis auf die pädagogisch wertvollen Verkehrsschilder, ist dem Kreativteam und seinen drei mit großer Spielfreude agierenden Protagonisten ernst und heilig, nicht einmal Siegfried Kracauer, an dessen Geburtstag (8.2) uraufgeführt, dem großen Theoretiker von ,Ornament der Masse', dessen Charakterisierung der Tiller-Girls als Produkte der amerikanischen Zerstreuungsfabriken [und] keine einzelnen Mädchen mehr, sondern unauflösliche Mädchenkomplexe, deren Bewegungen mathematische Demonstrationen sind" den herrlich überdreht agierenden Detektivschwestern ihren ,Namen' und zusätzliche tiefsinnige Bedeutung verleiht.

Dass sich Medienwissenschaftlerin und Universitätsdozentin Dr. Judith Ackermann mit pinken Gummistiefeln und großer Hornbrille als clevere Gabi ausstatten lässt, gehört genauso zum durchgestylten Quatschkonzept, wie die alte Motorradbrille von der ja in Köln hinsichtlich großer Wandlungsfähigkeit bekannte insgesamt superpinken Signe Zurmühlen. Ihre Trudi, die in ihrem Rucksack sehr zum Ergötzen manches Vaters alles findet, was man so zur Detektivjagd braucht, überzeugt durch kunstvolle Lautstärke und Überdrehtheit, denn Trudi ist die Tüftlerin und Gabi die Denkerin des Duos (wunderbar selbstironisch die Wissenschaftlerin), das sich auf das Geheimnis der fehlenden Tiere am Stadtrand begibt, die gar nicht von dem Kaputtfahrauto sondern von den mit beinahe Hugo-Ballscher-Dada-Sprechkunst ausgestatteten Einkaufszentrumsplaner Habela 1 und Habela 2 ,vertrieben' worden sind. Es folgt ein Haufen haarsträubender Unsinn und die Dramaturgie klappert bewusst gekonnt, dass es erst nur so scheppert und schließlich doch noch alles gut ausgeht...wie, das zu verraten hieße das Vergnügen zu beschneiden.

Größtes PLUS der Theaterveranstaltung ist das Tempo des gut einstündigen Stücks, das sich nie der Versuchung hingibt, den eigenen Unsinn zu zelebrieren, sondern ihn sehr gekonnt, aber eben auch sehr temporeich abspult, sei es der am Anfang in origineller Toncollage zelebrierte Klogang des Angsthasen, sei es die Minifressorgie von Detektivschwester Trudi und und und....wobei zuviel schon zu berichten eine Einschränkung der Ansehfreude bedeuten würde.....einfach zauberhaft-hinreißend-bekloppt die DumDaDumda-Gesangs- und Tanzeinlagen.

Höhepunkt auch nach Meinung zahlreicher Kinder ist der Autoauftritt des ebenfalls den köstlichen Angsthasen und den beeindruckend dargestellten Schweigefuchs verkörpernden Holger Giebel, der ein hinreißendes Auto, das Kaputt-Fahr-Auto, wirklich lebt und auf der verzweifelten Suche nach seiner Bremse ist, die ihn, das ,Monster mit rasendem Atem' als Ursache für den ,Auszug der Tiere' aus dem hinreißenden Wald aus rollbaren Plastikweihnachtsbäumen entlasten soll und kann.

Was für eine schöne und die Welt in gut und böse eindeutig klarstellende märchenhafte Lösung finden die vielen Menschen dieser stilecht ausgeleuchteten Kindertheaterproduktion im Bühnenbild von Ivan Chapamidi und dem erst vierzehnjährigen Praktikanten Andre Boll (und Ensemble, was trotz der feingezeichneten Regie von Sebastian Martin auf den starken Gruppencharakter der Theaterproduktion hindeutet) in originellen und knallbunten Kostümen von Silvia Wasserbruger, mit stilecht eingesetzten Videos der Studenten von Judith Ackermann, Rebbeca Scharlach und Niklas Becker und zur Animation von Katharina Lauer, einer sich nicht zu wichtig und ernst nehmenden Musik von Markus Boes, (der Vollständigkeit halber genannt die Assistentin Ophelie Lavoissier und die Techniker Bernd Trumpp und Manuel Vitello) ein Theatervergnügen ab vier Jahre, das dann letztendlich doch so poetisch-phantastisch weit fort erscheint von den Realitäten in einer Millionenstadt, dass man es großen und kleinen Kindern dringend zur Ansicht empfehlen möchte, gerade weils die Nähe zum krachenden Kasperletheater nicht scheut, aber sehr geschickt mit den Rahmenbedingungen des Trashs operiert und spielt, der Text sei auch zur Weiteraufführung empfohlen, wobei die Frage ist, ob der aus einem ,Pausenulk' von Signe und Judith entstandene Theaterabend, der den Darstellern wie eine zweite Haut passt, von anderen Darstellern und anderen Kreativen zu einem solch überzeugenden Ergebnis ,getrieben' werden könnte.

 

 

Theater, die Kunst und den größten Künstler betreffend, ein theatrales Echo, den Hut hochgehen lassend, so ungeheuer großartig und leidenschaftlich treffend, so konsequent und gleichzeitig leichtgewichtig komisch, ohne aufdringlich zu sein, aber selbst nach vielen Bildern außerordentlich rätselhaft artifiziell, schwer beschreibbar und doch leicht verständlich

Joe Knipp inszeniert mit zwei wunderbaren Darstellern im Kölner Theater am Sachsenring als Uraufführung eines Stücks von Hannelore Honnen über Marcel Duchamp im kongenialen Bühnenbild der Autorin die Lustschiffer/Satisfaktion II als durchaus theatermittel-puristischdichten Bilderteppich über die Liebe zur Kunst und die Kunst der Liebe samt erotischer Spielart

Vorab: Hätte ich einen Hut getragen bei dieser, schon der dreizehnten, Welturaufführung eines Stückes von Hannelore Honnen im Kölner Theater am Sachsenring, so wäre er mir emporgehoben worden, durch einen ungeheuer dichten Blick auf einen, wenn nicht den bedeutendsten Künstler des zwanzigsten Jahrhunderts, dessen Kunstarbeit, Kunstverstand und Kunstbetrachtung. Bereits der erste Blick auf die fast eingedampft wirkende kunstvolle Dichte des so ungeheuer konzentrierten und im Vergleich zur meisten Gegenwartsdramatik wohltuend ungeschwätzigen Textes von Hannelore Honnen zeigt eine Textur aus O-Ton-Marcel-Duchamp mit nur drei hinzugefügten Sätzen das Kunststück eines Textes, der nicht mehr wie eine Collage, sondern wie aus einem Guss wirkt, als wäre er keine Zusammenfügung, sondern eine quasi organische und dennoch artifizielle Form.

Hannelore Honnen und Joe Knipp sind seit über fünfundzwanzig Jahren das Theater am Sachsenring, und neben einer ganz fein ziseliert gezeichneten Regiearbeit von Joe Knipp schafft Hannelore Honnen nicht nur den sehr literarischen TheaterText, dem man auch im Deutschen des Künstlers Duchamps Lust an Sprache und literarisch-kunstvollen Bildern anmerkt und mit einer für einen beinahe kunsttheoretischen Diskurs so bestechend leichten Darbietung mit wachsender Begeistert-Heiterung folgt, nein, die Autorin ist auch die kongeniale Bildkünstlerin, die als Kunstliebende ein optisches Gesamtkunstwerk kongenial miterschafft, einen Gesamtbild-Textrahmen für den ungeheuer kunstvoll kongenial und umgekehrt genauso operierenden Inszenator, der auf seine beiden wirklich hinreißend agierenden Schauspieler Jan-Arwed Maul und Signe Zurmühlen trifft, die es schaffen, eine höchst komplexe Bühne und einen auf vielen Ebenen miteinander verwobenen Text, ein kunstvoll arrangiertes Licht-Kostüm- und Requisitenkunstwerk darstellerisch so zu treffen, wie es wohl so insgesamt als Gesamtkunstwerk auf Kölner Off-Bühnen gegenwärtig seinesgleichen sucht.

Ein Kunstwerk, das es aber trotz all der kaum aufzählbaren, geschweige denn beschreibbaren zahlreichen Bedeutungs- und Assoziationsebenen trotzdem schafft, hochintellektuelles Vergnügen und gleichzeitig pralles, dralles und sehr heiter-komisches Theater zu werden, das nicht nur dem Künstler und seiner Kunstauffassung konsequent folgend nie interpretiert, sondern ihm mit sich selbst beschreibend nachspürt, dem Echo in der Kunst des großen Marcel, Theater, das zu Beginn des Abends mit zwei Stablampen, mit einfachstem Mittel, die Unterbeleuchtung der alten Theaterrampen imitiert, ein wenig geheimnisvoll gesprochen, begonnen von Signe Zurmühlen, beechot von Jan-Arwed Maul als Marcel, wieder einer dieser männlichen Theaterfiguren, die man sich wie zuletzt den Peer im Theater am Sachsenring direkt von der Bühne stehlen möchte, um mit ihm, der Marcel wahres Bühnenleben verleiht, den begonnenen Diskurs in die Ewigkeit und Länge hinein und ein ganzes komplexes Leben in knapp siebzig Minuten hinein weiter fortzuführen, über das Bibliotheken geschrieben worden sind. Marcel ist am Anfang das Echo von IHR, sie am Ende des Stücks seins, ER am Anfang der Gilles von Watteau, am Ende ist er der ER, der aber weder Pfeife raucht noch Schach gespielt hat, auf der Bühne jedenfalls nicht.

Was sich möglicherweise hochkomplex kompliziert anhört, was es auch ist, schafft das Theaterkunststück ganz leicht daherzukommen, fast sahneleicht, aber trotzdem von ungeheurer Tiefe zu sein, und so für jeden Duchamp-Bildungsgrad etwas zu bergen und zu offenbaren, egal ob man überhaupt nicht weiß, wer ER ist und auch SIE nicht kennt, eigentlich die vielen Frauenfiguren, die Signe Zurmühlen mit großer Wandlungsfähigkeit ins Bühnenleben von Marcel hineinmaltdem Leben des toten Marcel Duchamps mit einer breiten Palette theatraler Mittel entreißt, der kein Frauenverbraucher war, aber ganz sicher ein Mann, der die Frauen liebte und verehrte, unddem Jan-Arwed Maul Leben einhaucht, ohne irgendeiner Ikonographie nachzustolpern.

Das besticht überhaupt an diesem Theaterabend, der jeglicher multimedialen Versuchung entsagt und in seinem einfachen theaterpuren und nie plakativen Zugriff eine immer nur andeutende vernetzte Dichtigkeit aller theatralen Elemente erzeugt, die nicht nur für leidenschaftliche Theatergänger, sondern jeden nachvollziehbar und genießbar ist, unterstützt von den beiden Kunstgeschichte studierenden Assistentinnen Antje Sterner, Grace Müller, Peter Mohr (Licht) und Wolfgang Wehlau (Bühnenbau).

Ich wünsche diesem außergewöhnlichen Theaterabend von hoher Qualität viele Aufführungen und Zuschauer und könnte mir vorstellen, dass in der Abfolge der Vorstellungen eines dieser Theaterjuwelen heranreift, dessen Bilder-, Optik, Inhalts- und Echomaschinerie nicht nur große Theaterkunst zeigt, sondern ein von einem beinahe symbiotischen Theatermenschenpool geschaffenes Kunstwerk heranreift, das den Betrachter im besten Sinne verändert und viel mehr gibt, als nur die Frage zu beantworten, die man schon immer über Kunst beantwortet zu bekommen begehrte.
Fazit: Unbedingt ansehen ohne jede Berührungsangst.

(Andreas Kohl)

 

 

Kölner-Wochenspiegel, Innenstadt vom 27.11.13, Thomas Dahl

 

Religion des Verlusts

Ödön von Horváths „Jugend ohne Gott“ im Horizont Theater

 

Gott ist da. Man sieht ihn immerzu – beim verlassen der Seelen, die ihn in Not riefen. Das Horizont Theater zeigt in seiner aktuellen Inszenierung „Jugend ohne Gott“. Das Stück des österreichisch-ungarischen Schriftstellers Ödön von Horváth ist bereits 1937 erschienen. Doch das Werk über das Aufblühen der Angst ist zeitlos.

 

Unter der Regie von Anja Schöne gedeiht das Stück zu einer kalten Umarmung einstiger Tugenden, die sich im Wüten des Nationalsozialismus in den Sterbebetten wälzten. In der Geschichte um einen empfindsamen Lehrer, dessen Schüler den Idealen eines menschenverachtenden Regimes verfallen sind, erstarren auch die letzten Funken von Achtung gegenüber dem Individuum zu Leichen, deren Augen angesichts des geschehenen Unrechts in die Weiten einer trostlosen Welt schauen. Dass das Prinzip Hoffnung dennoch überlebt und wirkt ist Dichtern wie Horváth zuzuschreiben. In einem schier unendlichen Staffellauf durch die Arena der Todesspiele reichen sich Signe Zurmühlen, Josephine Gey und Marius Rolf Fahl als multiple Charaktere den Stab, um den den Sprint durch eine verfallende Zivilisation über das Endziel des Untergangs hinauszuführen. Entlang gesellschaftlicher Ruinen und hehren Ideologien zieht sich der Wettkampf gegen das Eingeständnis von Schuld Runde um Runde.

 

Die rasante Darbietung innerhalb eines Klassenraum-Szenarios verführt die Zuschauer zum Mitmarschieren im Gleichtakt des Systems, das Norm und Anpassung verlangt. Neben der Geschwindigkeit, die die Dynamik des Verbrechens unterstreicht, besticht das Ensemble mit einer Körpersprache, in der die Abwesenheit von Gott nachhaltig buchstabiert wird.

 

 

 

Verheddert im Netz aus Lüge und Schuld

 

Bühnenfassung von Ödön von Horváths „Jugend ohne Gott“ im Horizont Theater

 

Von Brigitte Schmitz-Kunkel

 

Mit diesen Jugendlichen ist nicht zu spaßen. Angespannt wie der Bogen einer Armbrust sitzen die drei auf ihren Pulten, nervös zucken die Füße, die Blicke starr und kalt. Wenn diese Kinder von den Gedanken singen, die frei sind, dann klingt kein Ton freundlich.

 

Eine „Jugend ohne Gott“ zeichnete Ödön von Horváth 1937 in seinem Roman, den die Nazis ein Jahr später auf die „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ setzten.

 

In ihrer klugen Inszenierung im Horizont-Theater lässt Anja Schöne das zeitliche Umfeld des Romans immer wieder aufblitzen; die Schüler erinnern mit ihren kurzen schwarzen Hosen, weißen Hemden und einem roten Halstuch an die uniforme Aufmachung der Hitler-Jugend (Kostüme Sylvia Wasserburger), die Musik zitiert Schlager der 30er Jahre und das Volkslied „Üb immer Treu und Redlichkeit“.

 

Von preußischen Tugenden wie Mut und Gerechtigkeitssinn sind die schrecklichen Kinder von Signe Zurmühlen, Josephine Gey und Marius Rolf Fahl weit entfernt. In der Schule wiederholen sie gleichgültig, was der Lehrer ihnen beibringt: „Neger sind hinterlistig, feig und faul.“ Feig sind die Schüler, die einen Klassenkameraden gnadenlos mobben.

 

Feig ist auch der junge Lehrer. Im Ersten Weltkrieg hat er den Glauben verloren. Nun leidet der Pädagoge an seinem Job, um den er trotzdem bangt, weil die Kinder ihm beim Direktor für eine kritische Aussage denunzieren; später verheddert er sich in einem Netz aus Lüge und Schuld beim Tod eines Schülers.

Die drei durchweg beeindruckenden Akteure spielen den Lehrer im fließenden Übergang – eine Brille als Requisit reicht für den Wechsel, der zeigt, wie austauschbar ein Mitläufer als Rad im Getriebe ist.

 

Die Inszenierung richtet sich an Jugendliche und kann auch in Schulen aufgeführt werden. Wenn beim Fußball der dumpfe Schlachtruf „Sieg!“ gebrüllt, einer aus einem Impuls heraus in der Schule zusammengetreten wird, scheint Gewalt in heutiger Form auf. Die latente Aggression ist beklemmend. Am Ende aber steht der Lehrer zu seiner Verantwortung und durchbricht damit das Wegducken vor Hass und Gewalt, das Eis der beklagten „kalten Zeiten“.

 

Schöne folgt in der Handlung geradlinig dem Roman, seine Vielschichtigkeit muss sie allerdings der Kürze opfern. Dadurch bekommt das Stück ein erhebliches Tempo, ist aber für Jugendliche vielleicht nicht immer ganz leicht zu verfolgen.

 

Kölnische Rundschau, Kölner Kultur vom 02.11.2013

(Barbra Schuchardt, 28. September 2013, Kölnische Rundschau)

 

 

Reise durch den 

Gedankenkosmo

 

Joe Knipp beginnt Spielzeit im 

Theater am Sachsenring mit 

Ibsens ,Peer Gynt‘

 

Peer ist ein Fliegenfänger, eine Mischung 

aus Parzival, Hamlet und Kraftmeier, ein 

W e i b e r h e l d , T r ä u m e r u n d 

Geschichtenerzähler. Einer, der sofort 

p a c k t , s o s y m p a t h i s c h , l e i c h t 

weltvergessen wie ihn Richard Hucke 

spielt, der einem von der ersten Minute an 

so sympathisch ist, dass man ihm am 

l i e b s t e n j e d e s e i n e r v e r r ü c k t e n 

Geschichten glauben möchte. Manchmal 

ist er ein Clown und manchmal dauert er 

einen wie Woyzeck.

Es ist die Marschrichtung des Abends, der 

auch in den engen Grenzen eines kleinen 

Theaters ganz großes sozusagen armes 

Theaters zeigt, neben Peers Geschichte in 

einer Welt aus den Fugen - wie nah bei 

uns heute - auch immer wieder über 

Theater und die Lust am Theatermachen 

zu erzählen.

Verliert man sich bei der Lektüre des 

S t ü c k t e x t e s i n d e n g a n z e n , 

nationalromantischen, letztendlich gar 

nicht notwendigen Szenenanweisungen, 

optischen Gags und Ereignissen, die viel 

eher filmisch, denn theatralisch sind, muss 

sich die Geschichte sozusagen in den 

Versen erkämpfen, erzählen die Menschen 

vom TAS ganz karg und damit klar und 

damit stringent den im Programmflyer 

angekündigten rasanten Bilderbogen, ein 

Spiel, eine Reise durch dichte emotionale, 

absurde, emotionale und komische 

Szenen. Immer geht es um das, was Peer 

ist oder sein möchte, darstellt oder 

darzustellen versucht. Den ,sogenannten‘ 

Sinn von Existenz und Leben.

Dabei müssen Peers Antipodinnen (ganz 

wandlungsfähig und ganz stark Jennifer 

Silke und Signe Zurmühlen) zuweilen 

regelrechte Schwerstarbeit an Typen- und 

Kostümwechselwechseln leisten, ihr Hans 

im Glück (so darf das „Hänschen klein“-

Lied auch später nicht fehlen) muss diesen 

Parforceritt nicht leisten, hat mehr Raum 

für Emotion und Tiefe. Dass dabei 

gelegentlich auf “Teufel komm raus“ 

chargiert wird, darf aber nicht stören, 

zumal der Regisseur seinen beiden 

Darstellerinnen als Solveig und als 

Knopfgießer/Tod/Teufel dann den Raum 

gibt, der zeigt, dass sie eben auch starke 

Schauspielerinnen sind.

Joe Knipp hat nun diesen in Gänze kaum 

spielbaren Text klug zusammengestrichen, 

die überbordenden Szenen auf ihren Kern 

reduziert, dabei aber ganz viele, feine 

Theatermittel eingesetzt, die die 

Geschichte klar und direkt zupackend 

erzählen, wobei man sich zuweilen nicht 

nur in punkto Slapstick und Chargieren an 

bestes Volkstheater erinnert fühlt, ohne 

dass deswegen die Dialoge untergehen, 

die Tiefe und Emotion haben. 

Ja, das ist einer von uns, dieser Peer, mit 

dem kann man Pferde stehlen, dem 

möchte man folgen, mit dem hat man 

Spass und er ist so nah, so heutig, ohne je 

platt zu werden. In den ständigen 

R o l l e n w e c h s e l n , d e r b e i d e n 

Darstellerinnen und im Spiel von Peer geht 

keine Symbolebene verloren, keine 

B e d e u t u n g s e b e n e w i r d p l a t t 

eingeschränkt, es tun sich vielmehr, immer 

wieder, ganz offene neue Assoziationen 

auf.

Im Stück sind sie gegen Ende auf der 

Suche nach dem Sinn alle alt geworden, 

Solveig, der Knopfgießer und Peer. Bei 

Knipp bleiben sie jung, vielleicht eine 

Metapher dafür, dass Jungbleiben und 

Älterwerden nicht nur bei den Trollen, 

keine Frage des reinen Alterns sind, 

sondern der Lasten sind, die einem die 

KurzversionErfahrung und das Leben auf die 

Schultern laden und wie man damit 

umgeht. Immer bleibt die Inszenierung in 

ihrer direkten Art so in der Schwingung der 

Bilder und Assoziation, dass der Reichtum 

des Textes nicht durch vordergründige 

Aktualisierung oder Politisierung 

eingegrenzt, sondern man im eigenen 

Kopf ein Feuerwerk der Fantasie zünden 

kann.

Jedenfalls sollte man sich diesen PEER im 

Theater am Sachsenring unbedingt 

a n s e h e n , u n d n i c h t n u r i n d e r 

Ausschnittversion der Theaternacht am 2. 

O k t o b e r (...).

 

(Andreas Kohl, Kölner Klüngel 

n.e.V.  )

 

 

 

 

Suche nach der neuen Mama

 

Jedes Kind hat wohl schonmal die Überlegung angestellt, wie es wohl wäre mit einer anderen Mutter zu leben. (...)

Also lautet die Devise: "Neue Mama gesucht!" Das ist auch der Titel des Theaterstücks von Katharina Schraml und Karin Verdorfer, das ChrisTine Wolff jetzt als Uraufführung im Horizont Theater inszenierte.

(...)

Signe Zurmühlen und Anne Schröder liefern sich feurige Dialoge, und Volker Hein übernimmt alle Männerrollen (...)

ChrisTine Wolff inszeniert den sorgfältig entwickelten Text auf den Punkt, so dass selbst den jüngsten Zuschauern kein Gag entgeht. Letztlich rundet sich die Rückkehr zum mütterlichen Original schwerelos wie in einer Boulevardkomödie für die Großen.

 

(Thomas Linden, 3. September 2013, Kölnische Rundschau)

 

 

(Kölnische Rundschau 17.07.2013)

 

 

 

 

 

 

Frauenrausch

 

Theater am Sachsenring

 

Dass Signe Zurmühlen an einem Abend gerne mal in verschiedene Rollen schlüpft, weiß man spätestens seit "Gibt's ein Leben über 40?". Von der frustrierten Ex-Ehefrau bis hin zum cybersüchtigen Teenie und wieder zurück sprang die heute 26-Jährige einen Abend lang scheinbar mühelos von Identität zu Identität. Auch dieses Stück stammte aus der Feder von Thomas Reis, Regie führte Joe Knipp. Was lag da näher, als die erfolgreiche Zusammenarbeit  beim "Solo für Signe" fortzusetzen? Zu dessen Beginn stolpert Zurmühlen scheinbar orientierungslos auf die Bühne, auf ihrer Stirn klept ein Post-it mit der Aufschrift "Signe" - so als wäre sie gerade von einem Party-spiel geflüchtet. "Ich bin der Sündenfall und sein Obst" stellt sie sich dem Publikum vor. Signe, so erfährt man, ist nämlich nicht nur ein weiblicher Vorname, sonder auch eine alte Apfelsorte - und nebenbei auch der 459. Asteroid des Hauptgürtels. Wenn schon der Vorname ein solch breites Spektrum abdeckt, dann kann die Namensträgerin das erst recht. Dafür hat ihr Reis eine dankbare Textvorlage geschaffen, in der die Schauspielerin zwar zwischendurch immer wieder in andere Charaktere schlüpft, dabei aber immer sie selbst bleibt. (...) Eines jedenfalls wird kein Zuschauer abstreiten : Signe Zurmühlen wirkt stets authentisch und sympathisch- und Talent hat sie allemal. Die Nominierung als Nachwuchsschauspielerin des Jahres för den Kölner Theaterpreis 2011 war absolut berechtigt.

 

(Kölner Illustrierte - August 2013)

 

 

 

Eine Frau im Rausch -

 

Schauspielerin Signe Zurmühlen setzt sich in dem Solo „Frauenrausch“ mit allen Facetten ihrer Weiblichkeit auseinander

 

Seit dem 6. Juli 2013 begeistert das von Thomas Reis verfasste Solostück „Frauenrausch“  immer wieder das Publikum durch seinen scharfen Humor und sorgt für viele Lacher.
Signe, deren Name ein Komet und kein Imperativ ist, gelingt der Übergang von der Schauspielerin zur Kabarettistin mit Bravour.

 

Dabei werden so ziemlich alle Themen angerissen, die man im Kabarett anreißen kann. Signe scherzt über so ziemlich alles und jeden, angefangen bei der Emanzipation und ..., Familiengeschichten, Ausländern und dem Islam, politischen Witzen bis hin zur Jugendzeit und der Banalität des Hiphops. Doch Signe spielt eigentlich nicht nur sich, sondern sie schafft es auch in jegliche Rollen wie die der Mutter, des jüngeren Bruders und der blonden Freundinnen zu schlüpfen, um diese zu parodieren und stellt so ihre schauspielerische Leistung unter Beweis.

 

Für sich waren sowohl das von Reis verfasste Stück, als auch Schauspielerin Signe überzeugend, (...) ein unterhaltsamer Abend und dank der gemütlichen Atmosphäre des kleinen Theaters am Sachsenring eine tolle Gelegenheit die junge Schauspielerin einmal hautnah zu erleben.

 

(www.livekritik.de)

 

 

 

 

 

WERTHER I like

 

Björn Lukas, Josephine Gey, Signe Zurmühlen

 
"Die Kölner Regisseurin hat Goethes Briefroman radikal entkernt und eine überzeugend nachempfundene eigene Version erstellt (...) 'Wenn wir uns selbst fehlen, fehlt uns doch alles' - das Goethe-Wort steht als Motto über der stark körperbetonten, im besten Sinn modernen Aufführung, in der Goethes zeitlose Idee weiterlebt. Sie dürfte den Ton einer Jugend treffen, die weniger denn je weiß, wo es langgeht (....), die Charaktere sind klug gegeneinander abgesetzt und mit prallem Leben gefüllt - eine famose schauspielerische Leistung und rundum gelungene Aufführung.
(Kölner Rundschau, 17.05.2013)

 


Wenn Goethe gechattet hätte

 

Werther in Köln anno 2013 ist weiblich und aktive Nutzerin digitaler Medien. (...)

Die Weiblichkeit der Hauptfigur ergibt in der Bearbeitung am Thürmchenswall mehr Sinn. Wer hinter dem Userprofil Werther steckt und neben scharfsinnigen Beobachtungen über das Leben vor allem Liebesbekundungen an Lotte postet, bleibt eben geheim im Netz. Die impulsive Vera (klasse: Signe Zurmühlen), die zu keinem Game Nein sagen kann und stets unbequeme Wahrheiten für ihre beste Freundin Lotte (Josephine Gey) und derren Freund Daniel (Björn Lukas) parat hat, ist allerdings eindeutig der Typ Werther. Eine erfrischende neue Perspektive auf den Stoff eröffnet Regisseurin Anja Schöne auch damit, dass Werther zwar leidet, aber vor Lebenslust brennt und am Ende ein "Vielleicht" und kein Suizid steht. In einer Stunde Spielzeit bleibt nicht viel vom alten Text übrig, doch die aussagekräftig gewählten Passagen vermischen sich geschmeidig mit der aktuellen Sprache. Im Stürmen und Drängen der kurzweiligen Adaption finden sich Platz für Social-Media-Gags, die auch Teenage ins Boot holen; älteren Zuschauern vermittelt sich das jugendliche Feuer.

(Jessica Düster, Kölner Stadtanzeiger)

 

 

 

DER BLOGGER-GURU

 

Im Horizont Theater gelingt der Regisseurin Anja Schöne mit "WERTHER I Like" eine moderne und gefühlvolle Goethe-Adaption, die den Zweifeln und Problemen von jungen Erwachsenen auf den Grund geht.


WERTHER, so nennt sich ein anonymer Blogger, der über Wochen täglich Goethe-Zitate postet und sich als echte Rarität entpuppt - ein Anker für junge Freiheitssuchende. Doch als er anfängt, seine Internetfreundin Lotte mit Liebesbotschaften zu überschütten, melden sich neben begeisterten Anhängern immer mehr negative Stimmen. Bis der Goethe-Blogger beleidigt im weiten Internet-Orkus verschwindet und nie wieder auftaucht. Da setzt Anja Schönes Inszenierung ein: WERTHER ist längst weg, zurückgeblieben sind drei Jugendliche. Vera (Signe Zurmühlen), die voller Begeisterung für Werthers Ideale immer noch auf eine Rückkehr hofft, der Konformist Daniel (Björn Lukas), der eigentlich nur will, dass alles so wird wie früher, und die Geliebte Lotte (Josephine Gey), die naiv und schön auf einmal an ihrer Beziehung zu Daniel zweifelt. Fragt sich, ob sie dabei nicht das Leben verpasst. (...) Viel wichtiger sind Goethes Hauptmotive: es geht um Freiheit, darum, das Leben mit allen Sinnen zu erfahren und sich nicht nach Konventionen zu richten.(...) Hier tut sich eine Welt der zarten Gefühle auf. Regisseurin Anja Schöne gelingt es, alle Charaktere so zu inszenieren, dass eine Identifizierung leicht fällt. Selbst mit dem glatten, strebsamen Daniel hat man Mitleid. "Ich schwimme und sie fliegt und eines Tages fliegt sie mit einem davon, der fliegen kann und nicht nur so tut", erklärt er verzweifelt. Werther taucht dann doch manchmal auf, in Form von zitierten Roman-Passagen oder in Gestalt der sprunghaften, melancholischen und freiheitsliebenden Vera. Sie könnte das weibliche Pendant zu ihm sein. In "WERTHER I Like" vermischt sich die reale Welt mit dem Internet-Universum. Da werden Online-Computerspiele nachgestellt und Gruppenchats in verteilten Rollen imitiert. So entstehen amüsante Situationen und schöne Bilder. Etwa wenn die Protagonisten alle Chat-Kommentare mit Satzzeichen mitsprechen oder auf Kommando nach imaginären Buchstaben greifen.(...) Toll funktioniert (...) das Weglassen einer echten Werther- Figur. Ständig fragt man sich, wer könnte er oder sie gewesen sein? So wird konstant Spannung erzeugt, die sich auch in der Spielfreude der Schauspieler wiederfindet. Was am Ende bleibt, ist die Sicherheit, dass wir uns alle oft nach mehr Freiheit sehnen.


ESTHER BUTT (AKT)

 

 

 

DRAMEN UND DILDOS

Im Horizont-Theater feiert Regisseur Aydan Isik mit "Theater Hörizöntale" eine liebevolle, launige und politisch unkorrekte Parodie auf Schauspieler-Sein, Zwangsprostitution, Integration - eben alles, was diskutiert werden muss.

Freie Schauspieler sind arme Schlucker, das ist ja bekannt. Dass sie sich von einem türkischen Mäzen als Gastarbeiter in der Istanbuler Kulturszene locken lassen, kann man aus Kölner Sicht besonders gut verstehen. Nicht nur das Wetter, auch die hiesige Kulturpolitik sind einfach zum Auswandern. Liebevoll hat Regisseur und Autor Aydin Isik vor dem Bosporus stehend einen Einleitungsfilm gedreht, der diese Zusammenhänge erläutert. Doch als die fünf bedauernswerten Darsteller dann im anvisierten Vergnügungs-Etablissement am Bosporus ankommen, erwartet sie eine Überraschung: sie wurden dort nicht fürs aufrechte, sondern fürs "horizontale Gewerbe" verpflichtet (eine listige Doppelung auch mit dem Spielort-Namen). Im Edelbordell mit Glitzersofas und Orangenbäumchen (Sylvia Wasserburger hat den Abend verschwenderisch und mit höchster Fantasie ausgestattet), gehen die freien Schauspieler ihre Zwangsprostitution mit Feuereifer an: in Bikinis oder Negligés testen sie die Konsistenz der Peitschen, die sexuelle Standfestigkeit der aus Deutschland eingewanderten Renten-Schmarotzer, die Gutgläubigkeit der Istanbuler Verwaltungsbeamten (Kadir Zeyreck, Ko-Leiter der Studenten-Truppe"türkish delight", ist eine Entdeckung). Aydin Isik variert gesellschaftliche Aufreger-Themen der letzten Jahre in aberwitzigen Facetten. Ob nun die Köln-Mülheimer Versicherung ein Erlebniswochenende plant, oder der korrupte Bordell-Besitzer (Aydan Isik selbst) per Webcam mit zwei Mädels im Arm zugeschaltet wird. Nach Abu Dhabi geflüchtet ist er übrigens, um dort "die Bedingungen für ein deutsches Theater" zu testen. Lustig naiv und selbstironisch zeigt Signe Zurmühlen die leicht debile Anna, der die Männer reihenweise verfallen (Schauspielerinnen müssen ja nicht klug sein). Lisa Heck im Rollstuhl ist die entrüstete und anklagende Ex-Geliebte des Chefs, die "SM-Spezialistin" (Gabriele van Boxen) muss ihren zu Hause im Kulturelend gebliebenen Mann beschwichtigen, der vergeblich auf Kulturrezensionen aus Istanbul wartet, und "im Grunde prostituiert ihr euch beim Kölner Kulturamt ja so ähnlich wie wir". Furchterregend verkörpert Egmont Stawinoga arabische Scheichs oder deutsche Versicherungsvertreter, augenzwinkernd Thomas Bleidick den Alibi-Schwulen für Türken und lasziv und listig hat Lucy (Laura Weider) von allen den größten Überblick. Mit ansteckender Spielfreude, ohne Angst vor Klischees, Kalauern und politischer Unkorrektheit nehmen sich die gastarbeitenden Schauspieler selbst auf die Schippe,s witchen souverän durch ihre Mehrfachrollen, bis die Geschichte in einem farbenfrohen orientalischen Bauchtanz kulminiert. Zum Schluss klauben sie die letzten Dildos unter den Sofakissen hervor und machen sich in Antalya selbständig. Es lebe die Emanzipation, auch in der Türkei. Eine souveräne, gut gebaute und spritzige Komödie, die hart an Geschmacksgrenzen schrammt, aber richtig lustig ist.

DOROTHEA MARCUS (AKT)

 

Kölnische Rundschau: Eine Avocado im achten Monat

"Gibt's ein Leben über 40?" - vom Kabarett-Solo zum Theaterstück


30? Fast erwachsen. 40? Eine Katastrophe. 50? In diesem Alter war ein anständiger Mensch früher tot. Die Frage "Gibt's ein Leben über 40?" stellte der Kabarettist Thomas Reis schon 2003 aus gegebenem Anlass mit seinem gleichnamigen Erfolgsprogramm. Wie putzmunter man auch jenseits dieser Deadline noch sein kann, beweist er mit seiner Theaterversion seines Solos, die jetzt im Theater am Sachsenring ihre Uraufführung erlebte.

Unter der Regie von Joe Knipp entstand mit drei formidablen Schauspielern ein spritziges Dialogstück, bei dem sich die Pointen nur so überschlagen.

Oli ("Gaststar" aus München: Felix von Frantzius) hat am Vorabend seines Geburtstages solche Angst vorm totalen Verspießern (Stichwort: Einbauküche) (...) "Ich bin doch ein alter Grüner, eine Avocado im achten Monat!" greint er seinem (...) Freund Jürgen (David N. Koch) vor, der schon die Bierkästen Marke Reis-Dorf (mit Thomas-Reis-Portrait) anschleppt. Oli suhlt sich in antikapitalistischer Selbstkritik, (...) bis die Freunde dann natürlich doch noch antanzen. Alle gespielt von David N. Koch, einschließlich dem Frosch Rüdiger, einer Handpuppe, die wie eine Art Katalysator funktioniert.

Reis und Knipp sind natürlich viel zu schlau, um nicht die Gefahr eines auf zwei Männer aufgeteilten Kabarett-Solos zu sehen - und zu umgehen. Dafür steht ihnen die famose Puck-Anwärterin Signe Zurmühlen zur Seite. Sie sorgt in vielerlei treffsicher überspitzten Typen-Karikaturen für das belebende Element im männlichen Jammertal. Mit wenigen Kostümwechseln verwandelt sie sich von Olis nerviger Mutter in das stets angetrunkene, sexsüchtige Hippiemädchen Hilde, die frustrierte Molekularbiologin Jutta und eine knallharte Männerpsychologin.

Überwältigend komisch ist sie als Jürgens halbwüchsiger Sohn Dennis, die dem Leben abgelauschte Studie eines Facebook-fixierten Null-Bock-Totalverweigerers mit schlurfendem Gang und starrem Blick aufs Handy. Die Reaktion des begeisterten Publikums ließ nicht nur hier auf einen hohen Wiedererkennungsfaktor schließen. Denn die bis zur bierseligen Party klug gesteigerte Inszenierung mit dem rasanten Pointen-Feuerwerk trifft bei allen mitten ins schwarze Humorzentrum. (BS) (Kölnische Rundschau) 

 

 

 

 

Gibt's ein Leben über 40?

Wenn man jenen Tag feiert, der die Pforte zur Midlife-Crisis symbolisiert, stehen Fragen im Raum wie: Ist man nun befreit vom Höher, Schneller, Weiter? Oder kommt jetzt Bettnässen statt Wellnessen? Und: "Gibt's ein Leben über 40?" (...)

Zwei Blumenkästen markieren den Balkon, auf dem abseits der eigentlichen Feier die wesentlichen Gespräche stattfinden. Freilich: Felix von Frantzius als unwilliges Geburtstagskind, David N. Koch als bester Freund und andere Kumpel sowie Signe Zurmühlen, die etliche weibliche Gäste spielt, sind offensichtlich viel zu jung für ihre Rollen. Doch das ist schnell vergessen; den Mangel an Lebensjahren gleichen die Darsteller in diesem Pointenfeuerwerk durch Talent und Spielfreude locker aus. Das Publikum lacht herzhaft bis hämisch über wiedererkannte Macken und spendet großzügig Beifall.

Auch Intendant Joe Knipp strahlt nach der Premiere seiner ersten Inszenierung im Jubiläumsjahr. Die Sorge, ob es für sein 1987 gegründetes Theater am Sachsenring ein Leben über 25 geben wird, scheint vorderhand unbegründet. (Kölner Stadt-Anzeiger)


 

Die Bilanz zum Vierzigsten

Theater am Sachsenring spielt rasant-komisches Stück über das Leben ab 40 - Komikzentrum 05/12

 

Gibt es denn nun ein Leben über Vierzig? Das schienen die Anwesenden doch wissen zu wollen, die – meistens deutlich über 40 – den kleinen Theatersaal des Theaters am Sachsenring fast vollständig und in offensichtlich freudiger Erwartung besetzten. Die wenigen unter vierzig- und unter dreißigjährigen im Raum waren von dem Stück nicht weniger angetan: Die drei großartigen Schauspieler Felix von Frantzius, Signe Zurmühlen und David N. Koch beförderten die begeisterten Zuschauer von einem Lachanfall in den nächsten. Dank des hervorragend aufeinander eingespielten, die Pointen sicher transportierenden Teams ist das fürs Theater geschriebene Kabarettstück vom Altkabarettisten Thomas Reis unter der Regie von Intendant Joe Knipp erheiternd im besten Sinne.(...)

Die Story: Olli steht kurz vor seinem 40. Geburtstag. Sein bester Freund Jürgen versucht diesen dazu zu bewegen, eine Party zu schmeißen, wovon der wiederum gar nicht begeistert ist. Ollis Ausflüchte nützen nichts: Ab halb zehn am nächsten Abend kommen die Gäste.(...)

In gekonnten Wortspielen und manchmal sogar derb treten als Partygäste Charaktere auf die Bühne, welche man in ihrer Klischeehaftigkeit zu kennen meint, ausdrucksstark und sehr wandelbar gespielt von Signe Zurmühlen: Die überfürsorgliche Mutter von Olli, die volltrunkene Ex-Frau von Jürgen, die spießig-alberne Bekannte, die auf der Party ihrem Mann den Laufpass gibt, Olli’s Bankberaterin sowie seine männerfressende Psychotherapeutin. Und: Den völlig lethargisch-desinteressierten Sohn von Jürgen, Dennis, für den „Online-sein“ kein Zeitvertreib, sondern seinen Daseinsgrund bildet. „Facebook? Ey ich leb da!“ antwortet der maulfaule Dennis auf die Frage, ob dieser denn von „diesem Facebook“ schon mal gehört habe. Er bildet einen krassen Gegensatz zu seinem Vater Jürgen und vielleicht stellvertretend für dessen Generation: Mach endlich was!, schreit dieser ihn an und verzweifelt an diesem phlegmatischen Sohn, und das auf eine so urkomische Art, das dass Publikum Tränen lacht.(...)

Das rasante-originelle Stück ist nicht ohne Melancholie, ziehen doch die Protagonisten in ernsthaft-komischer Weise Bilanz über ihr Leben und das Älterwerden.(...) Vielmehr lässt sich das Stück als Anregung dahingehend verstehen, sich und seine Lebensbilanzen – zu egal welchem Zeitpunkt – nicht allzu ernst zu nehmen und einfach herzhaft zu lachen. Absolut sehenswert! 

NATHALIE CAESAR (Choices)

 

 

 

Gibt es ein Leben über 40?

 

 

 „Das ist der Olli", stellt David N. Koch seinen Mitspieler Felix von Frantzius vor. „Der Olli" hat ein Problem: Er wird 40. Genau genommen schon morgen. Das schreit doch förmlich nach einer Party, finden alle - außer Olli selbst. Der hat nämlich so seine Probleme mit dem runden Geburtstag, der - rein statistisch gesehen - so etwas wie die Halbzeit markiert. (...) Gemeinsam entstand die Idee, aus dem Kabarettsolo ein Theaterstück zu entwickeln. Dass es eine gute Idee war, davon kann man sich zurzeit im TAS überzeugen: Ein derartig intelligent-witziges Gag-Feuerwerk hat wirklich Seltenheitswert. Trotz vieler Charaktere kommt das Stück mit drei Darstellern aus. Einzig Frantzius ist durchgängig in einer Rolle zu sehen. Koch und Signe Zurmühlen hingegen bevölkern in wechselnden Kostümierungen die Bühne mit wohlmeinenden Freunden, frustrierten Exfrauen und weiteren Charakteren. Eine wunderbare Darstellung gelingt dabei Zurmühlen als wandelndem Teenieklischee Dennis. Auf den väterlichen Vorwurf „Du verschwendest dein Leben" blickt der Halbwüchsige kaum von seinem Smartphone auf und entgegnet schulterzuckend: „Dann spiel' ich's eben noch mal." -da (Kölner Illustrierte, Juni Ausgabe)

 


 

"Wozu sein, wenn nichts wird?"




   
Vom Alter haben wir eher eine verschwommene Vorstellung. Ist es irgendwann da, freut das die Wenigsten. Oli, ein akkurat gekleideter Mann mit Seitenscheitel und Brille, sieht seinem nahenden vierzigsten Geburtstag mit Argwohn entgegen. Noch weniger, als alt zu werden, möchte er diesen Anlass feiern – ein vergeblicher Wunsch dank der euphorischen Freunde des Geburtstagskindes. (...)

In diesem Monat wird „Gibt's ein Leben über 40“ im Theater am Sachsenring in Köln inszeniert. Das Stück stammt aus der Feder des Kabarettisten Thomas Reis.(...) So wird dem Zuschauer Kabarett geboten, locker eingebettet in die Handlung der ausufernden Geburtstagsfeier. Reis' Figuren liefern sich einen pointierten Schlagabtausch über die Themen, die den Menschen des 21. Jahrhunderts bewegen. Sie philosophieren über das Alter, die Sinnlosigkeit ihres Lebens, die Angst vor Schulden und dem Dickwerden. 

In der Inszenierung des Theaters am Sachsenring legt Regisseur Joe Knipp den Fokus auf die schauspielerischen Leistungen seiner Besetzung. Die Bühne kommt mit wenigen Requisiten aus: Ein provisorischer Balkon und ein paar Bierkästen kennzeichnen Olis Wohnung auf der ansonsten schwarz gehaltenen Bühne. Drei Schauspieler spielen Geburtstagskind und sämtliche weiblichen und männlichen Freunde. Was auf den ersten Blick umständlich wirkt, funktioniert wunderbar dank des überzeugenden Spiels der Darsteller. 

Karikaturen unserer Gesellschaft

Auf der Geburtstagsfeier des 40-jährigen Oli finden sich von der verhuschten Oma bis zum schluffigen Halbwüchsigen Dennis die verschiedensten Typen, die wir aus Familie und Bekanntenkreis nur zu gut kennen. Genussvoll werden spießige Kleinbürger mit Rollkragenpulli parodiert, betrunkene Exfreundinnen laufen zu Höchstform auf (...). In dieser Komödie kommt niemand gut weg: Die Figuren verschonen bei ihren Frotzeleien weder den Papst, noch die aktuelle Frauenpolitik oder die Finanzkrise. Im Verlauf des Stücks gehen die Gags zunehmend unter die Gürtellinie – sind dabei aber immer intelligent. 

Die Komödie verbleibt jedoch nicht bei einer bloßen Aneinanderreihung gelungen umgesetzter Sketche. Ohne seinen Humor zu verlieren, lässt Regisseur Joe Knipp die Inszenierung zum Ende hin zunehmend nachdenklicher werden. Seine Figuren taumeln durch eine Alptraumwelt ihrer Ängste, getrieben von der Frage, wohin all dieser Schwachsinn sie führen soll. „Wozu eigentlich denken, wenn ich doch schon bin? Und wozu sein, wenn nichts wird?“, fragt sich Oli. (...) Seine Mutter nimmt ihn indes immer noch nicht für voll. „Lass dir doch mal wieder die Haare wachsen“, fordert sie ihren Sohn auf. 

Von Hausbesetzern zu Hausbesitzern

Doch wer ist in diesem Stück der Spießer? Und wer die rebellische Generation? (...) „Wir wollten die Gesellschaft noch ändern“, wirft er seinem desinteressierten, ständig am Handy klebenden Sohn vor. „Na, das ist euch ja super gelungen!“, kontert dieser. 

„Gibt's ein Leben über 40“ hält dem Zuschauer einen Spiegel vor. Das Stück parodiert von der antriebslosen Jugend bis zu der hyperaktiven Generation der Alten, die Weltreisen unternehmen und noch ein Studium beginnen, alle Generationen schonungslos. Und legt dabei viele Sinnlosigkeiten, Vergeblichkeiten und großen Irrsinn offen. (...)„Das Leben ist immer das Richtige!“, rufen Oli und Partygäste. „Also: Auf das Leben!“

 


 

 

And the winner is ... Wer bekommt den PUCK 2011?

(...)

Signe Zurmühlen 
wurde 1987 geboren. Sie erhielt ihr Schauspieldiplom 2011 an der Theaterakademie Köln. Bereits während ihrer Ausbildung war sie sowohl im Akademietheater als auch im Kunsthaus Rhenania im Rahmen des Projektes "Roomservice 10 und 11" unter der Regie von Gregor Weber zu sehen. Sie überzeugte die Jury darüber hinaus mit ihrer schauspielerischen Leistung als Ophelia, Laertes, Rosenkranz und Totengräber in Joe Knipp's Inszenierung des "Hamlet" am Theater am Sachsenring und als Anna in "Der Impressario von Istanbul" im Horizont Theater. 

 

Puck Nominierungen

Theatergemeinde Köln
Mittwoch, 23.11.2011

 

 

Denken an der Stange

(Satisfaktion - Spengler/Walser/Benjamin)


Philosophie auf der Bühne? Das könnte spröde werden. Doch Hannelore Honnen hat Texte von Walter Benjamin, Oswald Spengler und Robert Walser bei der Uraufführung im Theater am Sachsenring elegant zu einer Collage montiert, die Joe Knipp klug und kurzweilig inszeniert.

(...) Autorin Hannelore Honnen führt die drei Männer, die sich im wahren Leben nie trafen, zu einer fiktiven Begegnung zusammen, in der sie über Kunst, Religion, Technik, den Menschen, die Sprache und vieles mehr philosophieren - alle drei wollten der Welt mit Worten eine Form geben. (...) Texte von Robert Walser und knappe Dialoge ergänzen die klug und elegant montierte Collage.

In Honnens Stück sind der Schriftsteller, der Philosoph und der Kulturhistoriker, die wir heute als würdige Herren im Kopf haben, noch jung, ringen um Anerkennung ihrer Texte - eben um "Satisfaktion", folgerichtig also, dass die Darsteller ebenfalls jung sind. Joe Knipp ist allerdings noch einen Schritt weiter gegangen und hat drei Darstellerinnen ausgewählt, Signe Zurmühlen, Celina Rongen und Mirjam Radovic. (...) als Verneigung des Regisseurs vor drei jungen Talenten (...), die, wie die dargestellten historischen Personen, noch einiges vor sich haben. (...) Jede ist in einer anderen Farbe gekleidet: Radovic alias Benjamin als blauer Marinesoldat, Zurmühlen als grüner, gediegener Jäger, Rongen als roter Student.

Auf der leeren Bühne steht ein Überseekoffer, liegen Bücher. Zwischendurch räkeln sich die Schauspielerinnen an Poledance-Stangen - wohl um zu zeigen, dass die drei Philosophen einen Überblick über die komplexe Welt zu bekommen suchten, oder auch, um ihren größtmöglichen Gegensatz zu erotischen, jungen Frauen anzudeuten. Doch auch die komplexe Philosophensprache wirkt auf der Bühne frisch und anziehend, wenn sie so gewandt gesprochen wird - die drei folgen den alten Herren auf ihren Höhenflügen. "Wir haben nicht das mindeste Talent, Andenken zu hinterlassen", heißt es am Schluss. Stimmt nicht: "Satisfaktion" ist eine kurzweilige, witzige und würdige Einladung, sich mit den Werken dieser etwas in den Hintergrund gerückten Denker zu beschäftigen.

Dina Netz für akT Feb. 2012

 

Das Klavier ist eine Tomate

Geistesgiganten am Sachsenring – Theater am Rhein 01/12


Treffen sich Oswald Spengler, Robert Walser und Walter Benjamin auf der Bühne. Fragt der eine: „Was macht ihr?“ Sagt der andere: „Schluss.“ Walser hat sich da schon den Karton mit seinen letzten Dingen unter den Arm geklemmt, nachdem lange von seinem Verschwinden und vom Schrumpfen seiner Sütterlin-Buchstaben die Rede war.

Hannelore Honnen hat für „Satisfaktion – Spengler/Walser/Benjamin“ Passagen aus Benjamins Essay über die Sprache, Spenglers Überlegungen zu Mensch und Technik sowie zwei Erzählungen Walsers zu einem Text montiert. Anfangs geht es vor allem um die Sprache. Benjamin verbindet Namen und Wesen miteinander, bevor Ding und Name zufällig benannt werden. Da wird das Klavier plötzlich zur Tomate, der Zuschauer zum Auto. Die Positionen geraten in Widerspruch, wenn Spengler und Walser sich heftig und emotional streiten – später fassen sich all an den Händen, ohne dass das unstimmig wirkt.

Die drei Kunst- und Geistesheroen „warten ... an den Rändern der Geschichte“, reflektieren über den Abstand und dass „das Nächste zugleich das Fernste“ ist. Insofern ist es kein Problem, dass alle von Frauen dargestellt werden. Im Gegenteil: Wie Mirjam Radovic als Benjamin im blauen Matrosenkostüm, Signe Zurmühlen als geckern lachender Walser im grünen Lodenzeug und Celina Rongen als Spengler im alarmroten Outfit frontal zum Publikum aus den Gedankensplittern eine Erzählung entwickeln, ist wunderbar. Kunstvoll rücken dabei Kindheitsgeschichten und -erfahrungen sowie das Lebensende nah aneinander. Wie „Affen, die sich von Bombast zu Bombast schwingen“ (so Benjamin anfangs über intellektuelle Dünnbrettbohrer) klettern die drei Darstellerinnen zeitweise fast selbst: Regisseur Joe Knipp lässt sie an zwei senkrechten Stangen turnen. Am Ende steht die (glücklicherweise falsche) Zukunftsvision von Benjamin, Walser und Spengler, dass wohl nicht viel von ihnen bleiben werde. Kein Seminarbesuch, keine (V)Erklärung, dafür ein spielerisch-leichter und unbombastischer Zugang zu schwierigem Terrain.

„SATISFAKTION“ | R: Joe Knipp | Theater am Sachsenring | 26.-31.3., 20 Uhr |
0221 31 50 15

CHRISTIANE ENKELER (Choices)

 

 

Frühes Misstrauen

"Sie haben sich nie kennen gelernt ... Hannelore Honnen führt die drei völlig unterschiedlichen Persönlichkeiten in der Uraufführung ihres Stückes "SATISFAKTION" zusammen und lässt in ihren Szenen ... wichtige Kapitel europäischer Geistesgeschichte wieder aufleben.  Wie Fixsterne kreisen die drei Denker umeinander... Celina Rongen (Spengler), Signe Zurmühlen (Walser) und Mirjam Radovic (Benjamin) geben alles, um die Persönlichkeiten auch sinnlich erfahrbar zu machen. Indem sie immer wieder an zwei Stangen hochklettern, gelingt ihnen der Blick über den eigenen intellektuellen Horizont hinaus (...)

BS Kölnische Rundschau

 

Drei böse junge Männer

"Satisfaktion" im Theater am Sachsenring

 

Die Satisfaktion ist eine veraltete Form der Wiedergutmachung einer Ehrverletzung, erzielt zumeist im Duell. In der gleichnamigen Uraufführung im Theater am Sachsenring fechten drei junge Autoren ihren gesellschaftlichen Stand und die Bedeutung ihrer Werke für Philosophie, Kunst und Leben mit Worten aus.

Walter Benjamin, Robert Walser und Oswald Spengler waren Zeitgenossen, im echten Leben trafen sie nicht aufeinander. Die Dramatikerin Hannelore Honnen bringt die wenig massenkompatiblen Geister in ihrem Text zusammen, indem sie deren Schriften zu einer tiefsinnigen Collage montiert und auf fesselnde Weise mit biografischen Skizzen mischt. Regisseur Joe Knipp lässt die drei als "angry young men" auf einer fast leeren Bühne von jungen Frauen in Lederhosen und Hüten darstellen. Was (...) prima funktioniert, da Mirjam Radovic, Signe Zurmühlen und Celina Rongen sprecherisch stark sind und physisch wie emotional Leistungsfähigkeit zeigen.

Dass sich die Schauspielerinnen zwischen ihren aufgeladenen Monologen um Stangen schwingen müssen und gelenkig an ihnen hochturnen, lässt Raum für Interpretationen ... Gemeint sind wohl die intellektuellen Höhen, die sie in ihren Rollen erklimmen. Und das gelingt ihnen gut (...) (jdü) Kölner Stadt-Anzeiger

 


 

 

EIN WAHRER SOHN

am Montag, 17.10.2011

 

Die "Hamlet"-Inszenierung, derzeit im "Theater am Sachsenring" zu sehen, ist ein Spiel mit Bühnenelementen: (...) Durch Scharniere verbundene Rahmen werden umfunktioniert, sobald der Schauspieler durch sie hindurch schreitet - in eine andere Szene und einen anderen Zustand hinein. In die Zerrissenheit, Gewissenhaftigkeit, in den Wahn, Zweifel, in die Erkenntnis, Liebe, den Hass, den Verrat, in den Mord und das Nicht-Sein.

Ein Rahmen als Spiegel, zwei Rahmen als Buch, drei Rahmen als Grab. Für das elterliche Gemach – alle Rahmen als Stern. Alle Rahmen als Burgmauern, alle Rahmen als Wände, durch die man hindurchgeht oder sich dahinter versteckt. Die Rahmen als Gassen, als Fugen und als Entourage für Hamlets Welt (...).

Es gibt die beiden Totengräber als hirnlose piepsige Ratte (Signe Zurmühlen) und derben Alkoholiker (Katja Gorst). Die Schauspieltruppe Hamlets (David N. Koch - er selbst als Montagsmaler, die anderen als sehr unterhaltsames Schaf und hemmungslose Sänger), in wahrhaftig mittelalterlicher Manier gegeben. Die Hofleute Güldenstern und Rosenkranz: verräterische, hinterhältig blasierte Erotik-Eidechsen. Den sich ständig selbst reglementierenden König Claudius (Max Heller), der seine Augenklappe verloren hat und dem seine Uniform, unter der es ambivalent brodelt, fantastisch steht. Den Polonius mit witzigem Rollenwechsel (Max Heller), die Königin (Katja Gorst) als sittenlose BH-Trägerin (aufgemotzt durch royale Schulterpolster) mit einem außergewöhnlichen empathischen Vermögen, welches sich anmutig offenbart, als sie vom Ertrinken der Ophelia berichtet. Die süße, naive, gehorsame und sehr verliebte, sehr traurige und emotional starke Ophelia. Den männlichen, duelliersüchtigen und großherzigen Laertes mit verwegener Schnute (Signe Zurmühlen). Den Wind. Die großartige Atmosphäre. Die Zeit. Das Herz.

Und natürlich den Hamlet, alias David N. Koch. Als Sympathieträger mit einer markanten Stimme ausgestattet und erinnerungswürdig gespielter Tollheit. Treffsicheres, handwerklich klar erkennbares Vokabular, sorgfältig gesetztes Timing und den Schalk in den Augen. Charmante und willkommene (dankbar entgegengenommene) unfreiwillige Drolligkeit. Dem Wechselbad der Wahnwitzigkeit emotional angeschlossen, direkt und verssicher. Es sind das Kind und die Spielfreude in ihm, die ihn als wahren Sohn entpuppen.

Isabel Hemming (meine-suedstadt.de)

 

HAMLET, EISKALT


"(...) Regisseur Joe Knipp hat sich ein schönes Bild für den aus der Ordnung gerückten Staat einfallen lassen: mannshohe Holzrahmen stehen, liegen oder kippen auf der Bühne - mal Halt, mal Hindernis. Aufrecht stehend bilden sie Tore und Gemächer, gestapelt werden sie zu Podesten, Särgen, Wällen. Es gibt nichts Festes und Fixes in diesem Dänemark. Und jede Figur versucht, ihre ganz eigene Ordnung herzustellen. Wunderbar die Szene, in der Ophelia ein wildes Raumkonstrukt zu errichten versucht, dass ihr Vater Polonius gleich wieder in biedere Ordnung zurückbaut.

Spielerisch bietet die Inszenierung einen spannenden Zugang zum Innenleben des desperaten Prinzen. Als Schutz gegen die Heuchelei hat Hamlet (David N. Koch) sich grenzenlosen Zynismus zugelegt. Wo alle versuchen in die Normalität zurück zu finden, könnte er nur kotzen. Koch serviert ihn als trockenen Existenzialisten. Seine Liebe zu Ophelia ist obertflächlich, sein Freund Horatio ein Weichei, seine gefühlsduseligen Ausbrüche aufgesetzt - nicht einmal Verzweifeln will dem grimassierenden Jüngling gelingen. Der Gegenpol dazu ist seine Mutter. Königin Gertrud (Katja Gorst) erscheint in Rock und BH, lebens- und liebessüchtig wirft sie sich mal dem Sohn, mal dem Gatten an den Hals und wird von der Kluft zwischen beiden schier zerfetzt. Gorst zeigt mit minimalem Aufwand berührenden Facettenreichtum, auch in anderen Rollen: Ihr volltrunkener Totengräber ist der Beweis, dass Shakespeare keine Nebenrollen geschrieben hat, sondern nur solche mit weniger Text. Max Hellers Claudius ist ein aalglatter Karrierist, als toter König aber etwas zu sehr Schlossgespenst. Signe Zurmühlen spielt Ophelia wunderbar kindlich (...).

In einigen tollen Momenten spielt das kleine Theater mit den eigenen Grenzen: Wind, Herzklopfen und andere Geräusche werden von den Spielern produziert, und wenn Hamlet Nachtwache hält, lassen die Kolleginnen seinen Mantel flattern (...)"

Robert Christott in der akt 27


 

Spielzeiteröffnung im Horizont Theater

 

Der Türke als Gastarbeiter und Scheinasylant, das war gestern. Denn: „Am Bosporus fließt jetzt das Geld“. Das Horizont-Ensemble hofft auf ein Engagement im reichen Istanbul – und buhlt um die Gunst des türkischen Intendanten, brillant gespielt vom Autor Isik selbst. Doch entpuppt sich der Geldgeber als desinteressierter Chauvinist, und das divenhafte Rivalisieren nimmt absurde Züge an. Besonders Thomas Bleidiek glänzt als selbsternannter Altmeister des Theaters. Auch Gabriele van Boxen als resignierte Aktrice, Laura Weider als narzisstische Diva und Signe Zurmühlen als naive Jungschauspielerin sind bestechende Zutaten dieser Milieusatire. „Der Impressario aus Istanbul“, in die Aydin Isik das bekannte Goldoni-Stück umgedichtet hat, zeigt, dass die Probleme exzentrischer Künstler heute wie vor 250 Jahren ähnlich sind: geringe Gagen, Arbeitslosigkeit und Konkurrenzkämpfe. Doch herrscht an diesem Abend noch ein anderer Kampf; der der unüberbrückbaren Intoleranz. Die Inszenierung von Thomas Wenzel ist eine charmant-böse Studie über Vorurteile und Klischees (...)

ROMY WEIMANN (akT, Oktober 2011)